Heute lernen wir den „Lokalmatador“ unter den Röstern am südlichen Gardasee kennen, die Kaffeerösterei Roen Caffè. Verkoste mit uns leckere Espressi aus einer original restaurierten Faema E61-Espressomaschine. Dies ist einer der Höhepunkte meiner Italien-Genuss-Reise.

Besuch bei Roen Caffè
Besuch bei Roen Caffè

Die Geschichte von Roen Caffè

Die Kaffeerösterei Roen Caffè wird 1979 von Sergio Bendinelli in Pacengo di Lazise, unweit des südlichen Gardasee-Ufers gegründet. Die Rösterei stellt handwerkliche Espressi und Kaffees für die italienische Gastronomie her. Auch sortenreine Kaffees sind zu bekommen. Sie stammen aus speziellen Fincas, etwa aus Columbien oder Guatemala.

Sergio Bendinelli beginnt mit einer kleinen Röstmaschine Espressosorten nach seinem Geschmack herzustellen. In der kleinen Firma stellt sich schnell Erfolg ein. Später auch Auszeichnungen, insbesondere für Arabica-Espressi. Inzwischen exportiert Roen Caffè seinen Kaffee auch in andere Länder. Nach ein paar Jahren zieht die Rösterei nach Affi um. Eine neue größere Röstmaschine wird angeschafft. Und ein Schulungsort geschaffen. Die Leitung wird an die neue Generation, Sergios Sohn Enrico übergeben. [1] Mit Enrico Bendinelli habe ich vor Ort ein Gespräch geführt. Er findet mein Kaffeemobil interessant.

[1] cafferoen.com/de/torrefazione-caffe-storia, 09.05.2022

Faema E61 Espressomaschine, ein chromglänzender Traum...
Faema E61 Espressomaschine, ein chromglänzender Traum...

Besuch beim Kaffeeröster vom Gardasee

Die Kaffeerösterei ist in einem Gewerbegebiet, unweit der Autobahn beheimatet. Irgendwie sehen diese Gewerbegebiete alle gleich aus. Funktionelle Gebäude, Lagerhallen, baumlose Straßen. Nachdem das Navi verkündet hat, daß unser Ziel erreicht sei, sind wir zunächst irritiert. Kein imposantes Glasgebäude wie bei Omkafè, kein großes Schild, das auf eine Kaffeerösterei hinweist. Erst beim genauer hinsehen finden wir ein kleines glänzendes Schild aus Messing und einen Klingelknopf mit der Aufschrift „bitte klingeln“. Hätten wir uns anmelden müssen? Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und klingele. Eine nette junge Frau mit dunklem, lockigem Haar und formeller Kleidung öffnet mir die Tür. Ich rufe und winke nach Andre, der in sicherem Abstand beim Fiat wartet.

Die Kaffeeverkostung bei Roen Caffè

Wir werden hineingebeten. Die Frau spricht deutsch. Das vereinfacht die Sache mit dem Geschäfte-machen erheblich. In dem Raum findet sich ein Regal mit den verschiedenen Kaffeesorten der Rösterei. Sie tragen eher weniger blumige Namen wie 100% Arabica-Gorumet-Kaffee, Extra Bar-Kaffee oder Costa-del-Sol-Kaffee. Rechts des Kaffeeregals befindet sich eine alte, polierte Faema E61, 2-gruppig und zwei Espressomühlen. Die Faema ist auf meine Nachfrage hin eine original restaurierte Maschine. Hier weiß man offenbar, was gut ist.

Verkostung der Espressosorten Gran Bar und Extra Bar
Verkostung der Espressosorten Gran Bar und Extra Bar

Ich laufe irritiert in einen kleinen Gang. Aber da ging es offenbar direkt in die Produktionshalle. Gott sei Dank rettet die Dame die Situation, in dem sie uns vor dem Kaffeeregal stehend ihre verschiedenen Espressosorten vorstellt und fragt, was wir denn bevorzugen.

Ich erkläre ihr erst mal mein Geschäftsmodell. Fiat 500 als Espressomobil, eher kleiner Barbetrieb, welche Espressosorte wir im Moment fahren und dass wir überlegen, uns nach einem anderen Lieferanten umzusehen. Derweil hätten wir einen Espresso mit einer Mischung aus 70% Arabica und 30% Robusta-Bohnen. Wir würden darüber hinaus nicht so gerne fruchtbetonte Espressi, sondern eher schokoladige mögen. Und unsere Gäste natürlich auch. Als Barista und damit Gewerbekundin wird man ja gleich ganz anders behandelt. Auf Augenhöhe. So kommt es uns jedenfalls vor.

Die nette Dame empfiehlt uns verschiedene Mischungen, die wir verkosten dürfen. Wir genießen das Kaffeebrühritual. Die Frau misst die Menge Kaffee genau mit der Kaffeewage aus. Mahlt sie zunächst in ein kleines Behältnis. Diese Menge für zwei Espressi kommt in den Filterträger. Der Espresso wird getampert, also verdichtet. Durch diesen Widerstand fließt das Wasser mit einem Druck von ca. 10 Bar. Wie dickflüssiges, schwarzes Öl läuft das fertige Espressogetränk kurz darauf in die Tassen. Hier haben wir es mit einer echten Profi-Barista zu tun. Wir probieren den Gran Bar aus 40% Arabica und 60% Robusta-Espressobohnen und den Extra Bar-Kaffee aus 80% Arabica und 20% Robusta. Sie sind beide lecker. Letztendlich entscheiden wir uns für 10kg Gran Bar, der noch kräftiger und schokoladiger daherkommt, als der Extra Bar.

Lecker Espresso...Gran Bar
Lecker Espresso...Gran Bar

Ich frage, ob die Rösterei auch nach Deutschland liefert. Leider nur über Zwischenhändler, berichtet mir die nette Dame. Ob ich vielleicht eine Visitenkarte dahätte? Ich krame in meiner Tasche, in meiner Umhängetasche, in meiner Hose – nichts. Zum Glück findet Andre eine letzte zerknitterte Espressino-Karte in seinem Portemonnaie. Und schaut mich tadelnd an. Mal wieder habe ich nicht an diese ollen Visitenkarten gedacht…typisch! Mit der Karte in der Hand klopft die Mitarbeiterin leise an die Tür eines Glaskastens, der mir zuvor gar nicht aufgefallen ist. Sie schließt die Tür hinter sich, es wird etwas geredet. Offenbar spricht sie mit dem großen Meister. Ihrem Chef. Der junge Mann spricht ebenfalls gut deutsch. Schließlich hat er Sprachen studiert. Wir unterhalten uns kurz über Espressino 500 und schließlich muss er sich wieder um seine Geschäfte kümmern. Netter Mann.

Verpacken der heißen Ware...
Verpacken der "heißen Ware" :-)...

Stolz tragen wir kurz darauf unsere „Beute“ zum Fiat. Der große Pappkarton mit dem leckeren Inhalt findet in seiner Größe nicht in das Autochen. Also packen wir die Tüten aus und legen sie einzeln unten in die Kiste des Espressobar-Ausbaus. Der ganze Wagen duftet nach Kaffee. Andre witzelt, wenn wir über die Grenze fahren und der Zollmann fragt, ob wir etwas zu verzollen hätten, wird er bestimmt komisch schauen. Schließlich schlägt ihm dann der leckere Duft der „heißen Ware“ entgegen. 10kg Kaffee sind innerhalb Europas erlaubt. Also werden wir kein Problem kriegen.

Infobox

Caffè Roen s.r.l , Via Marconi, 20 – 37010 Affi (Verona), Tel. +39 045 6201131, info@cafferoen.com,  https://www.cafferoen.com/de/

Öffnungszeiten Montag – Freitag 8:30 – 12:00, 14:30 – 18:00 Uhr, Samstag 8:30 – 12:00 Uhr

Wieder zurück in Lazise, steinernde Madonnen gibt´s hier an jeder Ecke
Wieder zurück in Lazise, steinernde Madonnen gibt´s hier an jeder Ecke

Im 8. und letzten Teil meiner Espressoreise geht es nach einem tollen Aufenthalt mit vielen neuen und schönen Eindrücken und Postkartenmotiven im Handy leider schon wieder zurück nach Norddeutschland. Wie immer war es zu kurz. Und wie immer war es fantastico…

Dann will ich ein Fazit der Reise stellen. Wie ist es denn jetzt mit den Espressobars in Italien? Sind sie so schön wie vor 30 Jahren?