Arrivederci e alla prossima volta
Der nächste Morgen ist leider schon unser letzter in Lazise und am Gardasee. Nach einem weiteren tollen und opulenten Frühstück in unserer Pension Tecla verabschieden wir uns sehr herzlich von Stefania und ihrer Mitarbeiterin vom Frühstücksbuffet. „Alla prossima volta“ – bis zum nächsten Mal.
Zwei Häuser neben dem Tecla ist eine Espressobar, in der laut auf Italienisch diskutiert wird. An den Tischen draußen sitzt ein älterer Herr im Jogginganzug vor seinem Bier. Um 9 Uhr morgens! Ein italienisches Paar sitzt daneben beim Cappuccino. Beide mit Sonnenbrille. In Italien ein Muss! Beide mit dünner Steppjacke von Benetton. Hier sind wir richtig. Vielleicht bekommen wir hier endlich einen authentischen Cappuccino. Wir haben im Tecla extra darauf verzichtet und geben die Hoffnung nicht auf. Wo wenn nicht hier, wo die locals sich treffen, gibt es den Espresso zum Hinknien? So einen, wie aus unserer Erinnerung von vor 30 Jahren.
Al bar – an der Espressobar
Wir bestellen zwei Panini con Prosciutto crudo e Formaggio für die Heimreise und due Cappuccini. Geliefert werden die Cappuccini freudestrahlend von dem Barista himself. Der Milchschaum des Kaffees ist dick und hat die Konsistenz von Bauschaum. Ohjee. Das verheißt wohl doch nichts Gutes. Auf dem Bauschaum prangt ein Smiley aus Schokolade. Mein Papa Helmut sagt in solchen Situationen immer: Was? Schokolade auf dem Cappuccino? Das geht ja gar nicht! Das hatte man in den 70ern….Na, ich würde sagen auch noch in den 2000ern. Dazu ist der Kaffee ziemlich bitter. Ich muß ja zugeben, das ich das mit dem Bauschaum und dem Kakao obendrauf auch mal so gemacht habe. Als ich 2001 meine 1. Espressobar in der Stader Altstadt eröffnet und ein Jahr später darauf wieder geschlossen habe. Mangels Kundschaft. Aber das ist eine andere Geschichte…
Arrivederci Italia
Wir verabschieden uns ein letztes Mal vom schönen Gardasee. Die Sonne lacht, der Himmel ist azzuroblau und ganz ohne Nebel. Um halb zehn sind es schon 20 Grad. Das wird ein schöner Frühlingstag. Leider ohne uns. Wir müssen wieder zurück in die Kälte. Wir treten unsere lange Rückreise an. 1200 km. In den Alpen oben angekommen, ist der Winter mit Nebelschwaden und kühlen 5 Grad zurück. Wir kramen nach unseren dicken Daunenjacken und meinen fellgefütterten UGG´s im Inneren des Fiats. Sie liegen beim Espresso. Dieser Duft…
Kurz vor der österreichischen Grenze legen wir einen Tank- und Pipi-Stopp ein. Ein letzter Espresso zum Wachbleiben muss jetzt sein. Zwei alte, langgediente dreigruppige Espressomaschinen verrichten hier ihren Dienst. An der Bar stehen zwei ältere italienische Trucker vor ihrem Kaffee. Kinder plärren im Hintergrund. Wir bestellen due caffè, per favore. Ob wir einen starken oder einen milden möchten. Natürlich einen starken. Ristretto. Und da hat sich unsere Erfahrung mal wieder bestätigt. Wo viel Espresso verkauft wird und die Maschine gut eingefahren ist, sie niemals stillsteht, gibt es den besten Espresso. Und den bekommen wir hier von einem redseligen Barista serviert. Sehr lecker! Wie der Espresso gewesen wäre, will er wissen. Perfetto!
Fazit: Sind Espressobars in Italien immer besser als anderswo?
Ich sach mal so…es gibt nach wie vor gute Espressobars in Italien. Da wo es Espresso zum Hinknien gibt. Wo du eine wahre Geschmacksexplosion erlebst. An Aromen nach Schokolade oder Papaya zum Beispiel. An Duft. An Körper. Und mit einer Crema, die nussbraun, cremig und konsistent ist. Oder wo es einen Cappuccino gibt, für den du jede Tirmami-Su stehen lässt. Mit einem homogenen feinen Milchschaum, der sich mit der Crema und dem Espresso so innig vereint, wie zwei Liebende. Wie Romeo und Giulietta…
Gibt es. Ja. Aber leider nicht überall in Italien. In der „Wald- und Wiesen-Espressobar“ in Italien, zumindest in der Touristengegend am Gardasee, ist die Qualität des Kaffees oft durchschnittlich. Und es ist egal, ob Illy. Lavazza oder Omkafè serviert wird. Dafür ist der Espresso relativ teuer. Was auch erklärt, warum die Bars nicht mehr mehrmals am Tag übervölkert werden. Eher sieht man Touristen mit Bierbauch und Sonnenbrille. Sicher findet man abseits der Touristenpfade gute Espressobars. An der Autobahnraststätte zum Beispiel. Oder auf der Fähre. Oder auf einem kleinen Dorf mitten in den Abruzzen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Niemals.
Es gibt Schlechtere
Inzwischen gibt es gerade in Großstädten wie Hamburg oder Berlin sehr gute traditionelle, handwerkliche Röstereien. Röstereien, in denen mit dem Espresso respektvoll und umsichtig umgegangen wird. In denen der Kaffee liebevoll ausgewählt und gemischt wird. Und wo dann bei einer kühleren Langzeitröstung Alles aus der Bohne herausgeholt wird. Diese Röstereien, an die ich gerade denke, betreiben oft auch eigene Espressobars. Oder es gibt hierzulande InhaberInnen von Espressobars, die sehr viel Wissen in Punkto Kaffee haben und das Kaffeegetränk meiner Träume zubereiten. Ja, in Deutschland triffst du immer öfter auf eine hervorragende Espressoqualität.
P.S.: Die Espressoreise an den Gardasee ist natürlich nur der Anfang unserer Espresso-Expedition. Weitere Berichte werden folgen.